Die Macht der guten Gefühle – warum sie mehr verändern, als wir denken

Birthe Claußen
von Birthe Claußen

Vielleicht kennst du diese Momente: ein unerwartetes Lächeln, ein Sonnenstrahl auf deiner Haut, ein Gespräch, das dich innerlich wärmt. Sie sind oft kurz, scheinbar unscheinbar – und doch wirken sie nach. Positive Gefühle wie Freude, Dankbarkeit, Staunen oder Liebe sind keine kleinen Extras des Lebens. Sie sind essenziell für unsere Gesundheit, unsere Widerstandskraft und unsere Lebenszufriedenheit.

Die Psychologin Barbara Fredrickson hat diesem Gedanken mit ihrem Buch „Die Macht der guten Gefühle“ ein wissenschaftliches Fundament gegeben. Sie zeigt, dass positive Emotionen nicht nur im Moment selbst wertvoll sind – sie verändern, wie wir denken, wie wir handeln und welche inneren Ressourcen wir langfristig aufbauen.

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Wenn Freude mehr ist als Freude

Fredricksons Forschung wird oft mit dem Begriff Broaden-and-Build-Theorie zusammengefasst: Positive Emotionen erweitern zunächst unseren Blick („broaden“) – und sie helfen uns, dauerhafte Ressourcen aufzubauen („build“).

Das bedeutet: In Momenten von Freude, Heiterkeit oder Gelassenheit weitet sich dein Aufmerksamkeitsfeld. Dein Denken wird flexibler, kreativer, du siehst neue Möglichkeiten. Und weil du offener bist, lernst du leichter, gehst Beziehungen ein, entdeckst Fähigkeiten. Das, was du in solchen Momenten entwickelst, bleibt – auch wenn das Gefühl selbst längst vorüber ist.

Gute Gefühle sind also keine Laune, sie sind Bauarbeiterinnen: Sie errichten in dir die Ressourcen, die dich durch schwere Zeiten tragen.

Widerstandskraft aus Mikro-Momenten

Resilienz bedeutet nicht, nie zu fallen. Es bedeutet, wieder aufstehen zu können – mit der Fähigkeit, sich an neue Umstände anzupassen. Hier zeigen positive Emotionen ihre größte Kraft.

Stress verengt unseren Blick, macht uns eng und starr. Positive Gefühle öffnen das Fenster wieder. Du bemerkst, dass du mehr als eine Option hast, dass du wählen kannst. Das macht dich handlungsfähig.

Auch auf der Beziehungsebene entfalten sie ihre Wirkung: Ein geteilter Moment von Freude, ein dankbares Wort, eine kleine Geste – sie schenken Nähe und Zugehörigkeit. Und genau diese Zugehörigkeit ist einer der stärksten Schutzfaktoren gegen Krisen.

Und schließlich: Hoffnung. Hoffnung ist kein Schönreden, sondern die Erfahrung, dass es Wege gibt – und dass du sie gehen kannst. Positive Gefühle nähren dieses Gefühl der Selbstwirksamkeit und helfen dir, in Bewegung zu bleiben, auch wenn es schwierig wird.

Der Körper vergisst nicht

Positive Gefühle sind nicht nur psychisch spürbar – sie wirken bis in den Körper hinein.

Studien zeigen, dass Menschen, die regelmäßig Freude, Dankbarkeit oder Gelassenheit empfinden, schneller von Stress erholen. Herzschlag und Blutdruck beruhigen sich rascher, das Nervensystem findet leichter zurück in den Ruhezustand. Forscher nennen das den Undoing-Effekt: positive Emotionen „entkoppeln“ den Stress.

Auch das Herz profitiert: Positive Gefühle stehen in Verbindung mit einer gesunden Herzratenvariabilität – einem Marker für Flexibilität und Anpassungsfähigkeit des Nervensystems. Und nicht zuletzt beeinflussen sie unser Verhalten. Wer sich häufiger positiv fühlt, trifft oft bessere Entscheidungen für sich selbst – sei es bei Ernährung, Bewegung oder Schlaf. Nicht, weil man plötzlich disziplinierter wäre, sondern weil weniger innerer Druck und mehr Energie zur Verfügung stehen.

Mehr als Glücksschübe – der Weg zur Lebenszufriedenheit

Lebenszufriedenheit ist mehr als das Streben nach Glück. Sie entsteht, wenn dein Alltag, deine Werte und dein inneres Erleben in Einklang kommen. Positive Emotionen unterstützen genau diesen Prozess.

Sie helfen dir, Sinn zu spüren – etwa in Momenten von Dankbarkeit oder Ehrfurcht. Sie nähren Beziehungen, weil geteilte Freude Bindungen vertieft. Und sie stabilisieren dein Selbstbild, wenn du stolz auf etwas sein kannst, das du gelernt oder gemeistert hast.

Es sind oft kleine, leise Gefühle, die dir zeigen: Das Leben ist lebenswert.

Ein Missverständnis: Es geht nicht ums Dauergrinsen

Wichtig ist: Positive Emotionen sind kein Ersatz für Trauer, Wut oder Angst. Diese Gefühle haben ihren Sinn und Platz. Gute Gefühle sollen sie nicht übertünchen, sondern ergänzen.

Auch die Vorstellung, es gäbe eine feste „Positivitätsquote“, ist ein Mythos. Entscheidend ist nicht, wie oft du positiv gestimmt bist, sondern ob du dir erlaubst, diese Momente authentisch zu erleben – und sie bewusst wahrzunehmen.

Kleine Einladungen für deinen Alltag

Positive Gefühle lassen sich nicht erzwingen. Aber du kannst ihnen Raum geben. Nicht als To-do-Liste, sondern als sanfte Einladung:

Bleib einen Moment bei der Dankbarkeit. Wenn dich etwas berührt hat – ein Wort, ein Blick, ein kleiner Zufall – halte für 20 Sekunden inne, bevor du weitergehst.

Öffne dich für Neugier. Frag dich: Was sehe ich heute, das mir noch nie aufgefallen ist?

Suche das Lachen. Schau etwas, das dich garantiert erheitert. Lachen löst Spannung und verbindet.

Atme bewusst. Drei Minuten langsamer, gleichmäßiger Atem können dein Nervensystem beruhigen und Gelassenheit fördern.

Erinnere dich an Stolz. Nicht an das perfekte Ergebnis, sondern an das Durchhalten, das Lernen, das Weitermachen.

Das sind keine „Tricks“, sondern kleine Räume, in denen gute Gefühle natürlicher entstehen können.

Fazit – die stille Kraft

Die Macht der guten Gefühle liegt nicht darin, alles Schwere verschwinden zu lassen. Sie liegt darin, uns Beweglichkeit zurückzugeben. Sie öffnen Türen, wo Enge war. Sie lassen uns spüren, dass wir verbunden sind. Sie schenken uns Kraft, wenn wir sie brauchen.

Und sie erinnern uns daran: Zufriedenheit wächst nicht im Sprint, sondern in den vielen kleinen Momenten, in denen wir uns erlauben, Freude, Dankbarkeit oder Staunen wirklich zu fühlen.

Birthe Claußen
Birthe Claußen
Ich bin Birthe, Gründerin von muutu und Aktivistin für psychische Gesundheit. Und nein – bei muutu geht’s nicht um Wellness, nicht um Selbstoptimierung und schon gar nicht um „Tschaka, du schaffst das!“-Coaching. Hier gibt’s keine schnellen Tipps oder gut gemeinte Ratschläge, sondern echte, nachhaltige Veränderungsprozesse. Es geht ums große Ganze: um deine Wünsche und Ängste, um alte Muster und neue Wege. Um psychische Gesundheit – tiefgehend, ehrlich und langfristig. Weil das Leben nicht nur besser funktioniert, wenn du dich veränderst, sondern sich wirklich gut anfühlen darf.

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